Inklusion bei der Kaffeeproduktion

Rund 55 Menschen mit seelischer Behinderung arbeiten derzeit in den Werkstätten in Ebersberg. Hier werden unter anderem Kaffeetüten für die Kaffeerösterei Martermühle beklebt. Was das bedeutet und wie das funktioniert, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Im ehemaligen Rewe-Gebäude, mitten im Zentrum Ebersbergs gegenüber der S-Bahn, befinden sich seit Oktober 2013 die Ebersberger Werkstätten. Sie gehören zum Einrichtungsverbund Steinhöring und richten sich speziell an seelisch erkrankte Menschen. Sie finden hier Arbeitsplätze in den Bereichen Metall, Laserbeschriftung, Montage, Sortierung und Verpackung sowie in digitaler Datenarchivierung.

Die Werkstätten bieten den Beschäftigten bedarfsorientierte berufliche Bildung und Beschäftigungsmöglichkeiten mit dem Ziel der Integration in das Arbeitsleben. Die Gruppenleiter Melanie H. und Richard K. begleiten die 22 Beschäftigten des Arbeitsbereichs „Montage“.  Die Kaffeerösterei Martermühle nimmt die Arbeit des Teams seit vielen Jahren in Anspruch. Die persönliche Betreuung und die zuverlässige Arbeitsleistung ermöglichen eine hervorragende Zusammenarbeit.

Worin besteht die Arbeit für die Kaffeerösterei Martermühle?

Die Aufgabe der Ebersberger Werkstätten besteht darin, die vielen verschiedenen Etiketten auf die vorbereiteten Tüten für Kaffee zu kleben. Bei den vielen, unterschiedlichen Kaffeesorten ist diese Arbeit durchaus eine Herausforderung. So müssen die Etiketten immer sauber und in der richtigen Höhe aufgeklebt werden.

Espressosorten gehören auf silberne, Kaffeesorten auf goldene und Bio-Etiketten auf braune Biotüten. Zusätzlich gibt es immer wieder Sonderaktionen, wie z. B. die Tunki-Etiketten, auf denen als Symbol ein niedlicher Vogel prangt. Nach der Einweisung durch die Gruppenleiter sind die Werkstattbeschäftigten sehr bestrebt, genau und selbstständig zu arbeiten.

Struktur und Organisation sind wie immer wichtig

Dem Arbeitsverlauf liegt eine durchdachte Struktur zugrunde. Die Beschäftigten arbeiten so weit wie möglich selbständig und werden von den Gruppenleitern angeleitet und unterstützt, Ein Lager mit sauber beschrifteten Kartons erleichtert die Arbeit. So können die Kaffeetüten weitestgehend alleinverantwortlich und ohne Zeitdruck beklebt werden. Auch die Kontrolle nach dem vier-Augen-Prinzip übernehmen die Beschäftigten meist eigenständig.
Einmal wöchentlich bestellt die Kaffeerösterei Martermühle die benötigten Tüten. Normalerweise übernehmen die Ebersberger Werkstätten die Lieferung der fertig beklebten Tüten. Gelegentlich fährt die Produktionsleiterin der Martermühle selbst nach Ebersberg. „Das ist für mich wie Einkaufen“, sagt Ulli Sick mit einem Lächeln, „dort finde ich immer schön aufgeräumt alles, was ich brauche“.

Wie arbeiten die Werkstatt-Beschäftigten?

Die Arbeitszeit der Ebersberger Werkstätten ist von  8:15 bis 16:15 Uhr, die Beschäftigten haben geregelte  Pausenzeiten. Viele kommen mit der S-Bahn, die Haltestelle befindet sich direkt gegenüber. Jeder Beschäftigte erhält eine individuelle Betreuung. So werden die Gruppenleiter u.a. vom Sozialdienst und von Psychologen unterstützt. Niemand soll überfordert werden und trotzdem soll die Arbeitsqualität stimmen. Das in Einklang zu bringen, ist manchmal gar nicht so einfach.

Die Zusammenarbeit mit der Martermühle

Die Unternehmen, wie zum Beispiel die Kaffeerösterei Martermühle, verlassen sich auf eine gute Arbeitsleistung. Die Zusammenarbeit wird sowohl unter sozialen als auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gesehen – schließlich kauft kein Kunde Kaffeetüten, die zerknickt und schief beklebt sind. Am Anfang der Zusammenarbeit bespricht man das Projekt und kalkuliert die Kosten.  Mit den Einnahmen aus produktiver Tätigkeit werden die Löhne für die Werkstattbeschäftigten gezahlt. Inzwischen bearbeiten 2-4 Beschäftigte täglich ca. 100 000 Kaffeetüten pro Jahr für die Martermühle.
„Das ist gelungene Inklusion“, lobte Frau Gertrud Hanslmeier-Prockl beim Umzug 2013 die zentrale Unterbringung der Werkstätten. Sie ist Leiterin des Einrichtungsverbundes Steinhöring. Landrat Robert Niedergesäß ergänzte, dass es hier und heute „ganz normal ist, unterschiedlich zu sein.“ Die Vernetzung der Lebenswelten von Menschen mit und ohne Behinderung gelingt am Beispiel der Bearbeitung der Kaffeetüten für die Kaffeerösterei Martermühle ganz hervorragend.
Wenn Sie nächstes Mal einen Kaffee von uns trinken, denken Sie doch auch daran, wer die Tüte etikettiert hat!