Weniger Angst, höheres Erinnerungsvermögen, mehr Lebensfreude: Forscher entdecken, wie Kaffee nervliche Belastungen löst. Sogar neue Therapien sind denkbar.

Auf welch vielfältige Weise Kaffee unserem Körper guttut, erforschen Wissenschaftler schon länger – und kommen zu erstaunlichen Ergebnissen. Nun legen immer mehr Studien nahe, dass Kaffee auch gegen psychische Probleme hilft. So entdeckte ein Forscherteam vor rund einem Jahr, dass der Kaffee-Inhaltsstoff Koffein chronischen Stress bekämpfen könnte. In Untersuchungen mit Mäusen fanden sie heraus, dass Koffein einen entscheidenden Rezeptor blockiert und so die Stressspirale durchbrechen kann. Oder sie im Vorhinein verhindern. Entsprechend behandelte Mäuse schnitten bei Gedächtnistests besser ab und ihre depressiven Symptome gingen zurück. Mit anderen Worten: Koffein könnte sich als neues Mittel gegen eines der größten gesundheitlichen Probleme der westlichen Welt erweisen.

Volksplage mit Folgen

Stress gilt als einer der Hauptrisikofaktoren unserer Gesellschaft. Wer dauerhaft unter Stress steht, kann auch körperlich darunter zu leiden. Etwa durch eine Schwächung des Immunsystems, eine Verstopfung der Blutbahnen oder der Gefäßverschlüsse in Herz, Lunge oder Gehirn. Bestehende Krankheiten können sich durch Stress verschlimmern – zum Beispiel die Ausprägung von Allergien. Gleichzeitig bedeutet Stress nicht automatisch Schäden für unsere Gesundheit. Anspannungen in gefährlichen Situationen gehören zum Leben dazu und unser Körper steckt sie gut weg. Vorausgesetzt er bekommt anschließend genug Erholung. Zur Plage wird Stress, wenn er nicht mehr aufhört. Im Fachjargon heißt er dann „chronischer Stress“.

Genau davon sind jedoch viele Menschen in der westlichen Welt betroffen. In einer aktuellen Studie geben 86 Prozent der deutschen Bundesbürger an, am Arbeitsplatz unter Stress zu leiden. Unter jungen Beschäftigten zwischen 18 und 39 Jahren sind es 91 Prozent. Auslöser sind Faktoren wie ständiger Termindruck, ein schlechtes Klima unter den Kollegen oder Probleme bei der Vereinbarung von Job und Familie. Fatalerweise leben viele Vorgesetzte ihren Mitarbeitern vor, wie es nicht geht. So betrachten mehr als drei Viertel der Arbeitnehmer ihre Chefs in Sachen gesundheitsbewusstes Arbeiten nicht als Vorbild. Viele Vorgesetzte verzichten auf ihre Mittagspause und bleiben bis spätabends am Schreibtisch. Aus Sorge vor Konsequenzen tun es ihnen ihre Mitarbeiter oft gleich. Auf diese Weise verwehren sie ihrem Körper die gerade bei Stress so wichtigen Erholungsphasen.

Mehr Kaffee bei Stress

Solche Pausen kann kein Kaffee ersetzen. Doch was portugiesische Forscher zusammen mit Kollegen aus Brasilien, dem Oman, der USA und Deutschland herausfanden, bestätigt, was viele Menschen intuitiv wissen. „Die Erfahrung zeigt: Wer unter Stress steht, trinkt meist mehr Kaffee oder Tee. Weil in beiden Getränken Koffein enthalten ist, handelt es sich dabei um so etwas wie eine Eigenbehandlung der Betroffenen“, sagt Prof. Dr. Christina E. Müller vom Pharmazeutischen Institut der Universität Bonn, die an der Studie mitwirkte.

Konkret behandelten die Forscher Mäuse, die über mehrere Wochen unter Stresssymptomen litten mit Koffein. Alternativ setzten sie einen synthetischen Wirkstoff ein, der vergleichbar mit Koffein, aber stärker und präziser, den so genannten Adenosin-A2A-Rezeptor blockiert. Genau diesen Rezeptor regelt das Gehirn bei Stress hoch, was wiederum die typischen Stressanzeichen auslöst. Wenn das Koffein die Rezeptoren der Mäuse blockiert, ließen ihre Beschwerden bald nach. So lösten sich die depressive Erstarrung der Mäuse, sie waren weniger ängstlich und vor allem verbesserte sich ihre Gedächtnisleistung deutlich. In einer vorherigen Studie hatte Prof. Dr. Christina E. Müller nachgewiesen, dass Koffein sogar Alzheimer-Patienten helfen kann.

Koffein-Therapien?

Freilich bedeuten diese Erkenntnisse nicht, dass sich chronischer Stress durch ein paar Tassen Kaffee heilen lässt. Wer sich täglich überfordert fühlt und etwa unter Schlafstörungen leidet, sollte einen Arzt aufsuchen. Medizin und Psychologie kennen heute gute Strategien gegen Stress. Gleichzeitig gilt: Wenn uns auf der Arbeit mal wieder alles zu viel wird, ist eine Pause bei einer Tasse Kaffee auf jeden Fall eine gute Idee. Solange es in Summe nicht mehr als fünf Tassen pro Tag werden. Die Forscher wollen nun prüfen, ob Koffein ein sinnvoller Bestandteil neuer Therapien gegen chronischen Stress oder posttraumatischer Belastungsstörungen sein kann. Die größte Arbeit liegt also noch vor ihnen. Gut denkbar, dass sie demnächst im Labor noch den ein oder anderen Kaffee gebrauchen können.

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Und während die Forscher dem Zusammenhang zwischen Koffein und Stressabbau noch weiter auf den Grund gehen, können natürlich auch Sie als Kaffeeliebhaber noch etwas Feldforschung zum Thema betreiben. Etwa mit Bohnen aus Brasilien, wo die Menschen bekanntlich von Natur aus etwas entspannter sind.